
„Liebe Lynn, ich lese immer wieder, dass Sonnenblumenöl und Rapsöl ungesund und entzündungsförderlich seien. Ist da was dran?“
(Dies ist ein Meinungsartikel, unterstützt mit wissenschaftlichen Studien, er hat aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit).
Dieses Thema beschäftigt mich auch immer wieder und ich traue mich fast nicht, in diese Diskussion mit einzusteigen. Gefühlt gibt es hier nämlich zwei sehr laute Lager. Die einen, die pflanzliche Öle komplett verteufeln und nur tierische Fette als die einzigen “natürlichen” Fette bezeichnen (ich schaue hier besonders in Richtung Fitnessindustrie und die ketogene Ernährung) und zum anderen die Verfechter der ungesättigten Fettsäuren, die von jeglichen gesättigten Fettsäuren, wie Butter oder Kokosöl, abraten.
Wirken Pflanzenöle entzündungsfördernd? Was sagt denn die Wissenschaft?
Pflanzenöle wie Sonnenblumen- oder Rapsöl bestehen zum Großteil aus ungesättigten Fettsäuren. Die positive Wirkung von ungesättigten Fettsäuren ist in einer wirklich signifikanten Menge an Studien in den letzten Jahrzehnten bestätigt worden. Dies spricht erst einmal für Pflanzenöle. Ein hochwertiges, kaltgepresstes Pflanzenöl ist also keineswegs schlecht für die Gesundheit.
Rapsöl zeichnet sich durch einen sehr hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren und einen geringen Gehalt an gesättigten Fettsäuren aus, was es zu einem besonders hochwertigen Öl macht. Diese Zusammensetzung wirkt sich laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) positiv auf die Blutfettwerte aus, indem sie das LDL-Cholesterin (das „schlechte“ Cholesterin) senkt und das „gute“ HDL-Cholesterin erhöht (1). Eine Metaanalyse von 42 Studien fand 2020 heraus, dass sich Rapsöl positiv auf unser Herz-Kreislauf-System auswirkt und den LDL-Cholesterinwert sogar besser reduziert als Olivenöl (2).
Sonnenblumenöl ist reich an Linolsäure, einer mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäure. In der Vergangenheit galten Omega-6-Fettsäuren in hohen Mengen als potenziell entzündungsfördernd, neuere Studien haben allerdings gezeigt, dass Linolsäure keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat (3, 4, 5). Im Gegenteil, in einigen überraschenden Studien hatten die Probanden mit der höchsten Omega-6-Einnahme sogar die geringsten Entzündungswerte (6). Auch die Frage, welches Verhältnis zwischen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren denn nun das Beste ist, wird gerade noch einmal von der Wissenschaft diskutiert. Bisher wurde einem 2:1 Verhältnis eine anti-entzündliche Eigenschaft zugeschrieben, doch wenn die Omega-6 Fettsäure nun auch auch antientzündlich gilt, ist es fraglich, ob ein gezieltes Verhältnis der beiden Fettsäuren überhaupt notwendig ist. Hier muss man allerdings anmerken, dass die oben genannten Studien einige Schwachstellen haben und wir hoffentlich zukünftig noch mehr Forschung erwarten können.
Eine sehr neue Studie aus 2022 von der University of Glasgow fand allerdings ebenfalls keinerlei Auswirkungen von Raps- oder Sonnenblumenöl auf Entzündungsmarker (7).
Wieso sind Sonnenblumen- und Rapsöl dann immer wieder in der Kritik?
Problem Nr. 1: Rapsöl und Sonnenblumenöl werden besonders häufig in hochverarbeiteten Lebensmitteln (auch UPFs genannt, das steht für ultra-processed foods) eingesetzt, weil sie günstig in der Herstellung sind. In diesen Lebensmitteln stecken zudem viel Zucker, Zusätze und wenig Ballaststoffe, sodass das Gesamtpaket ungünstig ist. Dies trägt natürlich zum schlechten Ruf von Pflanzenölen bei. Letztendlich ist es schwer, hier die Auswirkungen der Pflanzenöle generell von denen einer Ernährung, die reich an hochverarbeiteten Lebensmitteln ist, zu trennen.
Auf die Herstellung kommt es an: Kaltgepresste vs. raffinierte Öle
Worauf man auf jeden Fall achte sollte, ist die Herstellung. Pflanzenöle werden oft sehr stark verarbeitet und genau da beginnen die Probleme und liegen meines Erachtens auch die Gründe für den schlechten Ruf.
Kaltgepresste Öle werden durch mechanisches Pressen ohne Wärmezufuhr gewonnen, wodurch Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und das natürliche Aroma erhalten bleiben. Raffinierte Öle hingegen durchlaufen chemische Prozesse, die zwar unerwünschte Begleitstoffe entfernen, aber auch wertvolle Inhaltsstoffe reduzieren können. Daher gelten kaltgepresste Öle als ernährungsphysiologisch wertvoller. Achtet beim Kauf darauf, dass die Öle kaltgepresst und wenn möglich Bio sind, damit die guten Eigenschaften der Öle enthalten sind.
Problem Nr. 2: Die Tatsache, dass Pflanzenöle oftmals zum Frittieren verwendet werden, führt dazu, dass die gesunden Eigenschaften eventuell verfliegen. Beim Frittieren werden Öle auf hohe Temperaturen erhitzt, was zur Bildung gesundheitsschädlicher Substanzen führen kann. Kaltgepresste Öle haben einen niedrigeren Rauchpunkt als raffinierte Öle und sind daher weniger hitzebeständig. Zu hohe Temperaturen beim Frittieren verkürzen die Haltbarkeit des Öls und können die Bildung von schädlichen Verbindungen fördern (8).
Werden die Studien von der Lebensmittelindustrie gefördert?
Diese Frage ist definitiv berechtigt, denn natürlich haben Nestlé und Co. ein großes Interesse daran, dass günstige Pflanzenöle weiterhin im guten Licht dastehen. Ich konnte in den oben genannten Studien keine Hinweise darauf finden, dass große Unternehmen diese Studien finanziert haben. Dennoch ist es allgemein bekannt, dass die Lebensmittel- und Agrarindustrie Forschungsprojekte unterstützt, die für ihre Produkte vorteilhaft sind. Deshalb ist es so wichtig, dass in Studien immer auch Angaben zur Finanzierung und eventuelle Interessenskonflikte öffentlich gemacht werden.
Mein persönliches Fazit
Ich glaube dem aktuellen Stand der Wissenschaft und esse Rapsöl selbst ohne Bedenken und kaufe auch Produkte mit Sonnenblumenöl. Ob wir in 10 Jahren zurückblicken und denken „Wie konnten wir nur?“ Vielleicht. Doch ich habe mich entschieden, immer nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu leben und die sagt eindeutig, dass wir keine Angst vor Pflanzenölen haben müssen, sofern diese nicht hocherhitzt und zum Frittieren genutzt werden.
Wie immer macht die Dosis das Gift und Fette sollten immer einen kleinen Teil unserer Ernährung ausmachen. Es besteht also kein Grund zur Panik, wenn in der Hafermilch ein Mini-Schuss Sonnenblumenöl drin ist. Würde ich zu Hause jetzt unbedingt mit Sonnenblumenöl kochen? Wahrscheinlich nicht, weil ich immer noch im Kopf habe, dass Sonnenblumenöl minderwertig ist. Da würde ich weiterhin bei Oliven- und Rapsöl bleiben.
Hallo Lynn,
danke für den informativen Artikel und deine Einordnung dazu. Ich hätte nun noch eine Folgefrage:
bei meinem Rapsöl steht auf dem Etikett dass es nicht über 180 Grad erhitzt werden darf. Bei dem hochwertigen Olivenöl steht nichts drauf und ich bin davon ausgegangen dass es besser zum braten in der Pfanne zu verwenden ist. Wenn ich deinen Artikel richtig verstehe, würdest du aber auch davon abraten Olivenöl zum scharfen Anbraten zu verwenden? (Wir essen hin und wieder eigenes Wildfleisch welches ich gerne zu Beginn scharf anbrate).
Liebe Susan,
also ich habe mich mal mit einer Griechin unterhalten und die musste sehr schmunzeln, weil wir Deutschen uns wohl immer Gedanken über das Erhitzen von Olivenöl machen würden. In Griechenland würde man Olivenöl für alles verwenden, auch zum Frittieren und trotzdem sind Teile Griechenlands eine Blue Zone, also dort leben die ältesten Menschen der Welt.
Ich bin keine Expertin was das Erhitzen von Ölen angeht. Ich selbst brate mit Olivenöl, aber auch nicht sooo heiß (nur Gemüse).
Es gibt ja wohl extra Bratolivenöl, aber darüber höre ich auch immer gemischtes.
Meine ehrliche Antwort: ich weiß es selber nicht genau. :/
Liebe Grüße,
Lynn
Liebe Lynn,
danke für deine Antwort. Ich habe für mich jetzt beschlossen dass es in Maßen in Ordnung ist 🙂
Liebe Grüße